Home
innerer Kritiker

Der innere Kritiker ist auch nur ein Mensch

9 Tipps, wie Sie Ihren inneren Kritiker zum Verbündeten machen


Während manche Menschen vom inneren Kritiker auf Schritt und Tritt begleitet werden, taucht er bei Anderen eher selten und nur in bestimmten Situationen auf. Ist der innere Kritiker am Werk, kann das so klingen: „Das kannst DU nicht“, „Du bist eh zu blöd dafür“ etc. Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn nicht, ist das nicht Ihre Baustelle.

Der innere Kritiker

Unser Feind im Kopf: wer ist er und was tut er?

Er urteilt und verurteilt undifferenziert und nimmt fast ausschliesslich negative Aspekte wahr.  Die Positiven geraten in den Hintergrund. Er ist unsere innere Stimme, welcher unsere Fehler, Misserfolge und Schwächen hervorhebt und uns ständig klein macht.

Je grösser sein Einfluss wird, umso mehr zweifeln wir an uns, an unseren Möglichkeiten und Fähigkeiten. Der innere Kritiker findet immer etwas, um Sie zu kritisieren. Vielleicht geben Sie ihm sogar recht: „Es stimmt, wenn ich die anderen anschaue, welche viel erfolgreicher und attraktiver sind… ich bin einfach nicht so gut wie die anderen…“.

Wenn man im Leben vorwärts kommen und Ziele erreichen möchte, ist eine kritische Selbstbetrachtung unverzichtbar. Dabei gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen konstruktiver und destruktiver Selbstkritik.

Wie wirken folgende zwei Aussagen auf Sie?

  • „Ich habe mich in dieser Situation mit meiner Arbeitskollegin sehr inkompetent verhalten.“
  • „Ich bin völlig inkompetent“.

Die erste Aussage geht davon aus, dass das Verhalten kontextspezifisch und veränderbar ist. Die zweite Aussage ist undifferenziert und gilt für alle Situationen. So spricht der innere Kritiker. Die Situation scheint aussichtlos, Veränderung ist nicht möglich.

Die Geburtsstunde des inneren Kritikers...

Meistens begleitet er uns schon ein Leben lang. Oft entsteht er in der Kindheit. Da lernen wir was richtig und was falsch ist. Wir lernen schnell, wie wir sein „sollten“, um geliebt zu werden und passen unser Verhalten dementsprechend an. Der innere Kritiker  muss nicht ein Elternintrojekt sein, er kann auch aus einem Selbstideal entstehen. Die feste Überzeugung, nicht gut genug zu sein, noch besser oder gar perfekt sein zu müssen/wollen, führt uns dahin, dass wir uns noch mehr anstrengen.

Nun ist er geboren, der innere Kritiker. Er begleitet uns, indem er uns zurechtweist und kleinredet, unser Verhalten kommentiert etc. Der innere Kritiker macht uns auf das aufmerksam, was wir noch besser und perfekter machen könnten. Gut ist nie gut genug. Der innere Kritiker stellt nur Vergleiche mit dem oder den noch Besseren an. Der innere Monolog konzentriert sich nur noch auf Mängel, Schwächen und Fehler.

...ist auch die Geburtsstunde des geringen Selbstwertgefühls

Der innere Kritiker wird schnell zum treuesten Begleiter. Wir trauen uns immer weniger zu und fühlen uns minderwertig. Was uns früher von anderen Menschen zugefügt wurde, all die lieblosen und kritisierenden Worte fügen wir uns heute selbst zu. Dabei haben wir vergessen, dass dieses mangelnde Selbstwertgefühl durch oder wegen anderen Menschen entstanden ist. Wir brauchen schon längst niemanden mehr, welcher uns sagt, dass wir etwas nicht können, dass wir nicht gut genug und nicht liebenswert sind: Wir tun das selbst.

Er ist radikal, vor ihm gibt es kein Entrinnen

Er ist unfair, verletzend, erniedrigend, kennt keine mildernde Umstände und er ist sowas von raffiniert: Er ist, sobald wir Schwierigkeiten haben, sofort zur Stelle. Er kennt unsere Schwachstellen und wunden Punkte. Er ist immer da, es gibt vor ihm kein Entrinnen. Und er macht uns ohnmächtig. Sobald er da ist, fühlen wir uns unbedeutend, schwach und klein.

Wir realisieren nur selten, wie sehr der innere Kritiker unser Verhalten bestimmt. Was wir noch viel weniger erkennen ist die Tatsache, dass die Gebote und Regeln in ganz anderen Situationen entstanden sind und oft Jahrzehnte alt sind. Und vor allem haben wir vergessen, dass es sich dabei nicht um unsere eigenen Überzeugungen handelt. Der innere Kritiker ist schon längst unsere eigene innere Stimme geworden.

Versteckt sich hinter dem Kritiker ein verletztes inneres Kind?

Als Kind kommen wir immer wieder in Konflikt mit den Zurechtweisungen der Eltern und andere. Dies kann äusserst schmerzhaft sein. Die einzige Lösung ist, Strategien zu entwickeln, um in Zukunft solche schmerzhaften Situationen zu vermeiden. Könnte es sein, dass der Ursprung des inneren Kritikers ein gebranntes inneres Kind ist? Und dass dieses gebrannte innere Kind uns nur vor Verletzung und Schaden beschützen will? Das würde bedeuten, dass dieses innere Kind im Grunde genommen nur Gutes für uns will: Es übernimmt die Kontrolle, indem es uns in bestimmten Situationen, welche uns an vergangene Ereignisse erinnern, blockiert.

Dies lässt das innere Kind, respektive den inneren Kritiker in einem ganz anderen Licht erscheinen: der innere Kritiker ist FÜR uns, und meint es gut mit uns. Sein Anliegen ist es, dass wir von anderen geschätzt werden. Und dass wir ein gutes Leben haben.

Er tut nur so...

... und ist gar nicht so stark, wie er scheint

Er ist Teil unserer Persönlichkeit und ist nicht nur schlecht, negativ und destruktiv.

Ich kenne meinen inneren Kritiker sehr gut - und er mich auch. Er glaubt, ich würde vor Scham im Boden versinken, wenn ich etwas nicht so gut hinbekomme, oder mich gar blamieren würde. Er will mich davor beschützen, und kritisiert halt solange, bis es für ihn perfekt genug ist. Längst schon gehört er zu meinem inneren Team. Sobald ich feststelle, dass etwas wieder einmal nicht gut genug ist, nehme ich Kontakt zu ihm auf.

Mittlerweile kenne und schätze ich ihn als (m)einen klugen, inneren Anteil. Er macht sich viele Gedanken um mich und hat eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Er will nicht, dass ich anecke, sondern, dass ich alles richtig mache.

Um ihn zum Schweigen zu bringen, hilft es nicht, Fehler zu vermeiden, mehr Erfolg zu haben, abzunehmen oder noch disziplinierter und härter zu arbeiten. Solange er bekämpft wird, gibt er keine Ruhe. Er will wahr- und ernstgenommen werden.

Was tun?

Vom Feind im Kopf zum zuverlässigen Begleiter

Es gibt nur einen Weg: alte Verletzungen aufdecken, das innere Kind verstehen und kennen lernen und als Erwachsener die Situationen neu bewerten. Dazu müssen Sie erkennen, wann und weswegen er aktiviert wird. Man wird ihn bestimmt nicht los, wenn man ihm die rote Karte zeigt (meiner würde sich darüber kaputt lachen) und ihm einfach Stop sagt und ihn ignoriert. DAS funktioniert nicht.

9 Tipps für einen sinnvollen Umgang mit dem inneren Kritiker

  • Tipp 1:
    Geben Sie sich Zeit Veränderungen, ob von Denkmustern oder Gewohnheiten, brauchen Zeit. Der innere Kritiker war schon lange Zeit aktiv und er wird nicht von heute auf morgen aus Ihrem Leben verschwinden.
     
  • Tipp 2:
    Analysieren Sie die Ursachen, Durch welche Erfahrungen und Aussagen ist ihr innerer Kritiker entstanden? Welche Aussagen und Erfahrungen haben Sie am meisten verletzt und gekränkt?
     
  • Tipp 3:
    Suchen sie die „Best of“ der Selbstkritik Identifizieren Sie Situationen, in welchen Ihr innerer Kritiker besonders aktiv ist. In welchen Situationen meldet er sich mit welchen Worten?
     
  • Tipp 4:
    Sie Ihren Perfektionsanspruch etwas hinunter Sind Sie zu perfektionistisch? Verlangen Sie von sich zu viel und erlauben Sie sich keine Fehler? Perfektionismus ist Kraftfutter für den inneren Kritiker. Setzen Sie dem entgegen, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat. Akzeptieren Sie, dass Fehler machen menschlich ist.
     
  • Tipp 5:
    Anstatt ihn zu unterdrücken aufmerksam zuhören Was will er? Weswegen tut er das? Wenn er Gehör findet, kann er ruhiger werden und meldet sich nur noch dann, wenn er einen wichtigen Hinweis hat.
     
  • Tipp 6:
    Überprüfen Sie Ihre Gedanken Fragen Sie sich, ob das, was Sie gerade über sich denken, sie motiviert und Ihnen hilft, Ihre Ziele zu erreichen. Oder ob er das allgemeine Wohlbefinden fördert. Überprüfen Sie auch Ihre Glaubenssätze: „ich krieg das niemals hin“ etc. sind keine förderlichen Instanzen. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Gefühle und Gedanken, welche hilfreich und unterstützend sind.
     
  • Tipp 7:
    Stärken Sie Ihre motivierende Stimme in Ihnen Freuen Sie sich über das, was Ihnen gelungen ist. Speichern Sie innerlich die gelungene Situation mit möglichst vielen positiven Emotionen ab! Führen Sie motivierende und liebevolle Selbstgespräche.
     
  • Tipp 8:
    Distanz zum inneren Kritiker gewinnen Schaffen Sie Distanz zu Ihren Gedanken und hinterfragen Sie diese auch. Stimmt das wirklich, was der innere Kritiker sagt? Kann es auch sein, dass Sie diese Aussage schon als Kind gehört haben? Wer hat was in welcher Situation zu Ihnen gesagt?
     
  • Tipp 9:
    Überlegen Sie sich, was in Ihrem Leben ohne inneren Kritiker anders wäre Was würde sich konkret verändern, wenn Ihr innerer Kritiker nicht dauernd alles kommentieren würde.

Aus dem Feind wird ein Freund

wenn Sie Ihren inneren Kritiker weniger kritisieren

Seien Sie Ihrem inneren Kritiker gegenüber weniger kritisch, denn er ist Ihr eingeübtes Schutzprogramm Es lohnt sich, sich von den selbstsabotierenden Verhaltensweisen zu verabschieden und mehr Distanz zum inneren Kritiker zu schaffen. Befreien Sie sich von negativen Glaubenssätzen, Gedanken und Meinungen

  • indem Sie mit Ihrem inneren Kritiker das Gespräch suchen.
  • indem Sie verstehen, dass er in seinem Anliegen nicht gegen Sie, sondern für Sie ist.
  • indem Sie nicht vergessen, dass er Sie sorgfältig und achtsam sein lässt.

So werden Sie eine andere, kreativere und liebevollere Beziehung zu sich selbst aufbauen können – und an Lebensqualität gewinnen.

Bildnachweis:
Shutterstock: petr73, 167286323
Shutterstock: Lucien Fraud, 1027311958
BR/ Angela Smets