Home
(M)Ein Jahr mit einem Narzissten

(M)eine Erfahrungen mit einem Narzissten

Motto eines Narzissten: ich bin alles, du bist nichts!

Nein, ich schreibe keine Abhandlung über Narzissmus. Ich schreibe meine eigenen Gedanken und Erfahrungen mit einem Narzissten nieder.

 

Selbstbild
Ich glaube, dass Selbstbezogenheit in einem begrenzten Masse durchaus gesund ist, insofern hat jeder Mensch narzisstische Züge. Wehe aber, wenn diese Selbstbezogenheit ungesunde Formen annimmt. Nie hätte ich gedacht, dass ein Mensch mich dahin bringt, dass ich am (ver)zweifeln bin, und nicht mehr weiss, was hinten und vorne ist.

Ich halte mich für einen stabilen Menschen, der auf gute Ressourcen zurückgreifen kann. Normalerweise. Jedoch hat mich die permanente Auseinandersetzung mit einem Narzissten aus meiner Familie an meine Grenzen gebracht. Und nein, es handelt sich dabei weder um unsere Kinder/Schwiegerkinder noch um meinen Mann. In meiner eigenen Familie pflegen wir einen Umgang, der seinesgleichen suchen kann: respektvoll, liebevoll, achtsam, ehrlich und aufmerksam.  Ohne die Unterstützung meiner Familie wäre die Situation mit Fritz zum noch grösseren Alptraum geworden. 

 

Wie es begann
Von Berufes wegen habe ich mich viel und oft mit Narzissmus auseinandergesetzt. Das war viel Theorie. Bis aus der Theorie Praxis wurde: Im Umgang mit einem Narzissten – ich nenne ihn Fritz – habe ich unglaubliche Tiefen erlebt.  

Von vorn: Fritz und ich kennen uns schon lange. Meine Einschätzung war immer mit einem komischen Gefühl gepaart. Jedoch will ich Menschen weder schubladisieren, noch suche ich den perfekten Menschen. Dieser Hintergrund hat mich dahingeführt, dass ich von Fritz all die Jahre alles entschuldigt und sogar zu verstehen versucht habe. Wenn die Situationen zu heftig waren, distanzierte ich mich über Wochen oder Monate, jedoch habe ich immer wieder eine offene Türe angeboten. Dabei habe ich mein Gefühl völlig verdrängt und stattdessen rationale Begründungen gesucht nach dem Motto: "Tu doch nicht so kompliziert. Er ist speziell, ja sicher, aber im Grunde genommen tut er niemand was." Und leise im Hintergrund die Stimme: "Pass auf, nimm dich in Acht"…Eigentlich wusste ich, dass von seiner Seite vieles nur Show war. 

Es hat sehr lange gebraucht, mir selbst einzugestehen, dass er ein (armer) Narzisst ist, obwohl schon viele Jahre genügend Anzeichen vorhanden waren, die mich vor ihm warnten. 

Doch ging es mehr oder weniger gut, bis…Bis wir aus familiären Gründen zwangsläufig miteinander zu tun hatten. 

 

Ein Energieräuber sondergleichen
Der Prozess begann schleichend. Situationen, in denen ich mich von seiner selbstherrlichen und überheblichen, meist völlig empathielosen Art überrumpelt und irritiert fühlte, häuften sich. Natürlich sprach ich solche Situationen an, was dazu führte, dass er richtig in Rage kam. Er reagierte aggressiv und wirklich bösartig. Ich verstand seine Reaktionen nicht, konnte sie in keinster Weise nachvollziehen, zumal die Vorwürfe völlig haltlos und auch ohne sichtbare Zusammenhänge waren. Ich war irritiert und auch enttäuscht. 
Zu Beginn konnte ich das alles wegstecken, doch mit der Zeit waren seine Attacken omnipräsent. Irgendwann waren es die letzten Gedanken vor dem Einschlafen, und die ersten beim Aufwachen. Die Gefühle bestimmten über mich, und legten sich wie ein Grauschleier über mein Leben. 

Von meiner Stärke und Lebendigkeit war bald nicht mehr viel übrig. Sobald ich mich wieder etwas erholte, erhielt ich die nächsten "Botschaften" von ihm. Ich erlebte ein Gefühlskarussell von Trauer, über Ohnmacht und Unverständnis bis hin zu grosser Wut. Es folgten Situationen, in denen ich innerlich ausgeflippt bin. Da ich nicht noch mehr provozieren wollte, verhielt ich mich jedoch im Aussen ruhig. Das Gefühl, ausgeliefert zu sein und mich nicht wehren zu können, war sehr schwierig auszuhalten. Es taten sich ungeahnte Abgründe auf, ich kannte mich selbst nicht mehr. In mir gab es eine Stimme, die immer fragte, warum, warum??? Diese Verzweiflung, weil ich seine Reaktionen weder verstehen noch nachvollziehen konnte, war am ganzen Geschehen das Schlimmste.

Mein Körper begann zu reagieren: Herzrhythmusstörungen, Magenprobleme, extreme Müdigkeit etc. Ich fühlte mich gefangen in einem Hamsterrad und wusste nicht, wo und wie aussteigen. Depressive Zustände nahmen immer mehr Raum ein. Ich wollte das nicht, hatte immer das Gefühl, dass das nicht ich bin. Und trotzdem scheint es ein Teil von mir zu sein. Ein Teil, welcher sich verselbständigt hat.

 

Ich passte mich ihm nicht an und ordnete mich ihm auch nicht unter
Vielleicht war das mein Fehler. Es ist ihm unerträglich, dass ich nicht spure, und mich weder selbst vergesse oder gar verbiege. Er stellt seine Richtigkeit ausser Frage. Aber ich tue es. Ich widersprach ihm, bot ihm die Stirn. Hätte ich getan, was er von mir wollte, hätte ich mich untergeordnet, hätten wir kein Problem miteinander. Damals glaubte ich auch allen Ernstes, wir würden eine erwachsene Ebene finden, auf welcher wir anständig miteinander umgehen können. 

 

Zu Beginn hatte ich genügend Kraft
Ich habe klar und sachlich argumentiert. Habe auch immer wieder versucht, die Verletzungen wegzustecken. Es gab sogar eine Zeit, in der ich über seine Unterstellungen und Lügen lachen konnte. Jetzt kann ich es nicht mehr. Wie heisst es? Steter Tropfen höhlt den Stein. Die Tropfen von Fritz kamen zuverlässig und stetig. Und sie wurden immer noch unglaublicher.

 

Den Tatsachen nicht ins Auge geschaut
Nein, es konnte nicht sein, dass ich mich so getäuscht habe. Dass ich mich immer wieder habe "einwickeln" lassen. Dies, obwohl ich das "Profil" eines Narzissten durchaus kenne:

Einem Narzissten geht es erstmal um sein eigenes Ego, respektive um den Schutz seines Egos, seines Selbstbildes, seiner Glaubenssysteme und Verletzungen. Es geht ihnen um ihre Identität, welche sie mühsam verteidigen. Mit allen Mitteln. Gelänge ihnen dieses nicht, droht ein Zusammenbruch. Ihre eigene Lebendigkeit fehlt, sie nähren sich aus Spiegelbildern und identifizieren sich mit jemandem oder etwas, was   sie als gut erachten. Es fehlt ihnen die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren. 

 

Permanenter Terror
Fritz suggerierte mir mit Worten und Taten, dass ich schlecht und falsch sei. Falsch mit allem: Wie ich, spreche, handle und denke. Sein emotionaler Terror wurde immer subtiler, aggressiver und er machte vor nichts und niemand, auch vor meiner Familie nicht, Halt. Er diffamierte mich, wo und wann immer er konnte.

Ich machte und mache über ihn Ohnmachtserfahrungen, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte. Mein Vater war schon Meister im Manipulieren. Ich erlebe ein déja vu… nur noch schlimmer. Das Wissen, dass ich tun und lassen kann, was ich will, und ich trotzdem nichts verändern kann, lässt mich stagnieren, da ich keine Möglichkeit sehe, dass Fritz und ich einander wie Erwachsene begegnen könnten.

 

Selbstzweifel
Da ich ein Mensch bin, der Fehler immer zuerst bei sich sucht, traf er mit seinen Statements stets auf guten Boden. Seine versuchten Manipulationen und die falschen, haltlosen Unterstellungen untergruben meine Selbstwahrnehmung.

Habe ich ein falsches Selbstbild von mir? Bin ich jemand anders als ich glaube zu sein? Sehe ich Dinge falsch, oder zu eng?
Getragen und reflektiert von meiner eigenen Familie, konnte ich mich jedoch immer wieder ein Stück auffangen. Die einzige Strategie, welche mir zur Verfügung stand, war Rückzug. Und zwar totaler Rückzug. Das Problem war, dass ich diesen totalen Rückzug nur bedingt machen konnte, da andere Familienmitglieder betroffen gewesen wären. Dies wiederum machte mich erpressbar.

Auch Sätze wie "das Verhalten von Fritz sagt nur über ihn etwas aus, nicht aber über mich", sind zwar zutreffend, erreichten mich jedoch nicht mehr. Ich wurde immer unsicherer. Heute weiss ich, dass es zu seiner Taktik gehört, diese Verunsicherung herbeizuführen.

 

Die Fragen nach dem Warum
Immer und immer wieder habe ich mich gefragt, weswegen er versucht, mich fertig zu machen. Diese Frage habe ich ihm auch gestellt. Jedoch habe ich nie Antworten erhalten. Ich wollte verstehen, weswegen er sagt und tut, was er sagt und tut. (Wie dumm von mir, einem Narzissten Fragen nach dem Warum zu stellen). 

Wie konnte es soweit kommen, dass ich mich nun so ausgehöhlt fühle? Wie konnte es dazu kommen, dass Fritz mich auf so tiefer Seelenebene so verletzen kann? Es scheint wie eine ganz gezielte Zermürbungskampagne (welche immer mehr greift). Alles wird verdreht und negiert. Da nützen weder Argumente, selbst Beweise der Faktenlage, nichts.

 

Allmählich beginne ich zu verstehen
Ich beginne allmählich Fritz zu sehen, wie er ist. Besser gesagt, ich beginne, mir zu gestatten, ihn zu sehen wie er ist. 
Seine nach aussen aufgesetzte Maske der Blendung setzt er erfolgreich ein, um anderen etwas vorzutäuschen und Menschen um sich herum solange zu manipulieren, bis er erreicht hat, was er will und braucht. Dazu greift er zu jedem Mittel. Allmählich merke ich allmählich, dass nicht ich das Problem bin. Nur, das Verstehen allein hilft nicht. Ich muss zuerst wieder bei mir ankommen und mich neu finden. 

 

Auch wenn ich verstehe
dass narzisstische Geschwister das Ergebnis einer diskriminierenden Erziehung sein können, kann ich das Verhalten von Fritz nicht entschuldigen. Fritz hat eine völlig verzerrte Identität entwickelt, welche nach und nach zu einer immer toxischeren Persönlichkeit führt. 

Der Titel des Buches "Gestatten, ich bin ein Arschloch" trifft es auf den Punkt. Narzissten sind giftig für ihr Umfeld, da sie zerstörerisch sind und ihre Sicht der Dinge auf Kosten der anderen umsetzen.

 

Krank oder böse? 
Wenn ich das wüsste. Mit den Erfahrungen, welche ich mit Fritz machte und mache, würde ich sagen: er ist krankhaft böse. Wobei ich nicht weiss, ob das Krankhafte massgebend ist, oder ob seine Persönlichkeitsstruktur grundsätzlich böse ist. Oder boshaft. Das fühlt sich stimmiger an. Manchmal frage ich mich, ob es ihm wirklich Spass macht, sein boshaftes Gift zu verspritzen und andere zu verletzen. 

 

Ich möchte kein Opfer sein
Wenn ich etwas nicht mag, ist es, Opfer zu sein. Nur, ich bin Opfer. Für mich bedeutet Opfer zu sein, handlungsunfähig zu sein und den anderen die Schuld für etwas zu geben. Jedoch bin ich genau in dieser Rolle: ich gebe Fritz die Schuld am Ganzen. Egal, wie ich mich verhalte, es ändert nichts. Wenn es mir gelänge, einfach alles an mir abprallen zu lassen, ich würde es tun. Dazu müsste ich wissen, wie. Doch gibt es etwas, was mich langsam aus dieser Ohnmachts-Opfer-Rolle herausholt: Wut. Es reicht. 

 

Das Mass ist voll
Ich will so nicht mehr, ich kann so auch nicht mehr. Noch stehe ich auf wackeligen Füssen, denn das alles zu verdauen, braucht Energie. Mein innerer Dialog, meine innere Haltung beginnt sich jedoch zu ändern. Aus der Ohnmacht entstehen klare innere Dialoge, neue innere Haltungen: “Fritz, Blut ist nicht dicker als Wasser, du hast Dein Recht verwirkt, Teil in meinem Leben zu sein. Du bist schlimmer als derjenige, den du selbst als schlimm bezeichnest. Dein Verhalten ist unentschuldbar und deine ständig sich wiederholenden Unterstellungen und versuchten Manipulationen  sind nur noch lächerlich. Dein Vorgehen ist berechnend und geplant. So scheint es zumindest. Die Tatsache, dass du auf diese Weise vermeidest, mit Deiner eigenen Mittelmässigkeit in Kontakt zu kommen, scheint naheliegend. Mit wüsten Beschimpfungen, Wut und Aggressivität schützt Du Dein konstruiertes Selbstbild.”

Noch bin ich mit Fritz "verknüpft", jedoch ist das eine Frage der Zeit. 

Ich weiss, dass es viele Menschen gibt, welche solche oder ähnliche Erfahrungen mit narzisstisch gestörten Menschen machten. Mein Glück ist es, dass ich nicht mit Fritz zusammenlebe. Wie schlimm müssen die Erfahrungen wohl sein, wenn jemand mit einem Narzissten im selben Haushalt lebt.

Fazit: Ich hoffe, dass ich irgendwann diese Erlebnisse mit Fritz als Erfahrung ablegen kann. Im Moment muss ich schauen, dass ich mich von Fritz so gut wie möglich distanziere. Da ich mich mit abgrenzen tendenziell schwer tue, habe ich mit Fritz ein gutes Übungsfeld. So betrachte ich dies als meine damit verknüpfte Lernaufgabe. 

Wie ein Mensch andere Menschen behandelt,
ist immer eine Reflexion von dem, was er selbst ist.
Paolo Coelho

Mit diesem Zitat beende ich diesen Blog. Denn besser könnte ich Fritz nicht beschreiben.