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Rück-Blick Februar 2020

Rück-Blick Februar 2020

Schwerpunkt Coronavirus: ein etwas anderer Blickwinkel

Ich schaue auf einen eigentlich schönen, kreativen und friedlichen Monat zurück. Endlich habe ich meinen Claim gefunden: „bring(t) es auf den Punkt“. Seit einem Jahr war ich am suchen, verwerfen, weiter suchen, wieder verwerfen. Jetzt ist er da - und er ist einfach stimmig.

Das zeigen auch die vielen Reaktioen von Lesern,  Klienten und Kursteilnehmern. Offensichtlich habe ich mit meinem Claim den Punkt getroffen…

Ein anderes Thema beschäftigt mich in dieserm Monat. Sie vielleicht auch... Das Coronavirus. Ehrlicherweise muss ich gestehen: Ich kann's schon nicht mehr hören. Was ich jedoch interessant finde, ist, was das Coronavirus bei den Menschen und in der Gesellschaft auslöst. KlientInnen sind verunsichert und sind von der Flut von guten und weniger guten Informationen überfordert. Es fehlt eine Orientierung.

Ich halte  nicht viel von "es-gibt-immer-noch-Schlimmeres-Vergleichen", denn wenn Menschen Angst oder schwierige Situationen haben, ist dies wenig hilfreich. Ein kleiner Realitätscheck jedoch hilft gegen die kollektive Hysterie. Deswegen widme ich diesen Rück-Blick dieser Thematik, jedoch mit anderen Blickwinkeln...

Coronavirus - Die Furcht des Unbekannten

Zugegeben: eine Epidemie hat etwas Unheimliches. Aber die Wahrscheinlichkeit, am Coronavirus zu sterben, ist klein. Trotzdem, sterben werden wir alle. Vielleicht an einer Herz-Kreislauferkrankung (2019 waren das in der Schweiz 31.4 Prozent) oder an Krebs (25.8 Prozent). Wir Europäer sterben oft wegen unseren schlechten Gewohnheiten und mangelndem Gesundheitsbewusstsein. Und jetzt kommt Corona, darauf sind wir nicht vorbereitet. Der Virus ist etwas, was wir nicht kennen, und wogegen wir keine Mittel haben. Trotz unseres bedingungslosen Fortschrittglaubens erkennen wir, dass wir längst nicht alles im Griff haben. Wenn ich mit Menschen darüber spreche, stelleich fest, dass der Kontrollverlust Angst verursacht.

Von selbsternannten Experten wird das noch nicht verifizierbare Gerücht in die Welt gesetzt, dass das Corona-Virus tödlicher als die normale Grippe sei. Wie hoch die genaue Letalität (Letalität ist die Wahrscheinlichkeit, an einer Krankheit zu sterben) von COVID-19 ist, werden wir erst wissen, wenn alles vorbei ist.

Bezug zur Verhältnismässigkeit geht verloren

Epidemien und Pandemien stellen eine Herausforderung an die Gesellschaft dar: Wie gehen wir mit Bedrohungen, wie dem Corona-Virus, um? Sollen wir Angst haben oder das ganze bagatellisieren? Niemand möchte am Corona-Virus sterben. Aber die Menschen sterben, manchmal aus blöden Gründen: sie stürzen in dem Bergen ab, werden überfahren, infizieren sich mit Krankenhauskeimen, sterben an anderen Grippeviren oder an Hunger etc.

Was mich schockiert, ist die Tatsache, dass das Corona-Virus uns auf eine Art und Weise in Panik versetzt, wie es Hunger, Kriege und Umweltverschmutzung etc. schon längst machen sollten. Aber da werden nicht in dem Masse Massnahmen getroffen, wie es zurzeit beim Coronavirus der Fall ist. Denn dieser betrifft uns nun unmittelbar. Kriege, Hunger etc. sind weit weg von uns. Die Corona-Epidemie zeigt uns die Schieflage der kollektiven und medialen Wahrnehmung von Bedrohungen auf.

Die WHO diskutiert darüber, ob COVID-19 schon als Pandemie oder noch als Epidemie eingestuft werden soll. Fakt ist: Die Hysterie hat schon längst pandemische Ausmasse angenommen. Der Virus versetzt Menschen in eine kollektive „Pass auf-Haltung“. Wir sollten die Situation nicht bagatellisieren und unterschätzen, aber wir sollten auch auf Panikmache verzichten.

Sicher, Das Coronavirus kann uns krank machen,

aber die Angst vor ihm auch

Unsere Welt ist ver-rückt, im wahrsten Sinn des Wortes: sie ist weg gerückt von jeglicher Vernunft. Das Mass für die Normalität ist verloren gegangen. Jetzt wird die Welt in schwarz oder weiss eingeteilt. Wir wähnten uns bis jetzt in Sicherheit, und stellen jetzt fest, dass das Leben gefährlich geworden ist. Die aktuelle Situation zeigt uns auf, dass nichts beständig und selbstverständlich ist. Leben IST lebensgefährlich!

Gerade in Krisenzeiten zeigen die Menschen ihr wahres Gesicht. Und jetzt zeigt sich die Gesellschaft eher mit ihren schlechten Seiten. Die Angst macht die Gesellschaft kranker als das Virus selbst. Viele handeln egoistisch und werfen über Bord, was uns zu Menschen macht: Menschlichkeit und Rücksichtnahme. Die Medien tragen meines Erachtens mit der Fokussierung auf das Virus dazu bei: Sie zählen in ihren News-Tickers Verstorbene, Infizierte und Geheilte so wie Tore bei einem Fussballspiel. Risikogruppen werden hochgeschaukelt. Dabei gehören diese Menschen in jeder saisonalen Grippe zu den Risikogruppen. Auf diese Menschen sollten wir sowieso IMMER Rücksicht nehmen.

Wir haben den gesunden Realitätsbezug verloren. Während der gesamten Grippesaison, über die von Woche 40/2018 bis Woche 16/2019, d.h. vom 30. September 2018 bis zum 20. April 20191) berichtet wurde, konsultierten 209 200 Personen – rund 2,5% der Bevölkerung – wegen einer grippeähnlichen Erkrankung eine Hausärztin oder einen Hausarzt. (Quelle:https://www.infovac.ch). In der Schweiz sterben jährlich ca. 1500 Menschen an der Grippe. Risikogruppen sind stärker betroffen.

Angst macht Menschen für Fake-News und Verschwörungstheorien empfänglicher

Angst löst ein Gefühl von „ausgesetzt sein“ aus. Ohne Angst hätten unsere Vorfahren nicht überlebt. Und auch heute ist sie für uns überlebenswichtig. Im Laufe der Zeit haben sich die unmittelbaren Bedrohungen der Natur für die meisten Menschen in Industrienationen verringert. Dafür haben sich neue Ängste herausgebildet: Angst vor Arbeitslosigkeit, Altersarmut, genetisch veränderten Lebensmitteln, Klimaveränderung, Viren etc.

Menschen mit Angst sind leicht lenk- und beherrschbar. Sie sind nicht mehr bei sich und reagieren oft prompt und unüberlegt. Insbesondere wenn es um neue Bedrohungslagen um die eigenen Gesundheit geht. In den sozialen Netzwerken und im Internet kann sich jeder äussern. Jeder kann behaupten und veröffentlichen, was er will und erreicht dabei ein potenziell grosses Publikum. Genau dies wird von selbsternannten Experten ausgenutzt. Mit der Konsequenz, dass viele Falschmeldungen zum Coronavirus grassieren. Es fehlt an gesichertem, wissenschaftlichem Wissen. Unwissenheit schafft Freiraum für Verschwörungstheorien.

Verschwörungstheorien und Fake-News sind selbst wie Viren
Es ist das natürliche Bestreben der Menschen, für Ungreifbares Erklärungen zu finden. Denn Unwissen schürt Unsicherheit und Angst. Dieter Sträuli sagt: „Verschwörungstheorien scheinen bei ihrer Entstehung gewissen Regeln zu folgen, welche denen von Viren gleichen. «Verschwörungstheorien gehen manchmal ‹viral›, erreichen also die Ausdehnung und Geschwindigkeit eines Virus. Sie ‹stecken uns an› und mutieren auch gelegentlich wie Viren».

Angst und Stress sind schlechte Ratgeber, denn sie schwächen unser Immunsystem!

Menschen gewöhnen sich an Angst

Mit der Zeit gewöhnt man sich an die Gefahr, was die Angst schwinden lässt. Man redet und liest auch nicht mehr so viel darüber. Nach einigen Wochen verschwinden Themen im Hintergrund. Oder wer spricht jetzt noch über Greta? Oder wer spricht noch von der starken Grippewelle von 2017/18? Oder über die brandaktuellen Brände in Australien?

Unwissenheit macht immer Angst, deswegen wäre sinnvolle Aufklärung so wichtig. Bilder und Worte gravieren sich tief in unserem Gehirn ein. Die Berichterstattungen und die Bilder, welche wir von China sahen, Menschen mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen, erzeugen Angst. Die Angst wird noch dadurch geschürt, dass wir es mit etwas Unbekannten zu tun haben. Wir können nicht einschätzen, wohin das Ganze führt. Ängste sind selten rational. Für die Entstehung von Ängsten ist unser subjektives Bewerten zuständig. Diese Bewertungen sind oft gegen Fakten, Logik und gute Aufklärung resistent.

Das Paradoxe ist, dass wir einem Gewöhnungseffekt unterliegen. An die üblichen Grippewellen haben wir uns längst gewöhnt. Davon haben wir auch keine schrecklichen Bilder abgespeichert. Wenn jetzt morgen in der Schweiz eine andere Katastrophe geschehen würde, wäre eine neue Angst da, welche die vorhergehende Angst mit grosser Wahrscheinlichkeit ablösen würde.

Panikermacher isolieren

Angstmacherei ist eine schlechte Antwort auf die Situation. PANdemie kommt nicht von PANik, vergessen Sie das nicht. Die Gefährlichkeit des Virus liegt in der Panikmache: alle drehen durch. Lassen Sie sich nicht von den Todesfällen des Corona-Virus verrückt machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an einer Herz- Kreislauferkrankung sterben, ist wesentlich höher. Deswegen wäre es sinnvoller, grundsätzlich auf gesunde Lebensgewohnheiten zu achten, und sich nicht nur momentan auf sterile Oberflächen einzuschiessen. Was nicht ausschliesst, die Massnahmen und Regeln der Hygiene zu beachten. So dürfen Sie beruhigt sein und sich über andere Dinge Gedanken machen: über Feinstaub, Pestizide, Verkehrsunfälle, Hunger, Altersarmut, etc. Das haben wir nämlich überhaupt nicht im Griff. Denn, obwohl wir glauben, fortschrittlich zu sein, zeigt uns das Coronavirus auf, wie zerbrechlich wir sind. Und: das Leben hat eine Letalität von hundert Prozent, dessen können Sie sich sicher sein.

Corona ist Globalisierung pur:

Die ganze Welt wird durch das Virus in Unruhe versetzt.

Unsere Gesellschaft gerät ins Chaos, weil Produktionsunterbrüche und Engpässe uns vor Augen führen, wie sehr die Weltwirtschaft von globalen Lieferketten abhängig ist. Das Virus wirkt sich weltweit auf die Wirtschaft aus. Versorgungsengpässe, z.B. mit wichtigen medizinischen Grundstoffen können zu einem Problem werden. In der Schweiz wird kaum noch produziert, deswegen sind wir von diesem Risiko besonders betroffen. Die volkswirtschaftlichen Schäden sind enorm, in der Schweiz und auf der ganzen Welt.

Trotzdem: Ich betrachte ich die Corona-Virus-Epidemie auch als Chance, sich vor Augen zu führen, welche Abhängigkeiten die Globalisierung und die Auslagerung von Produktion schaffen.

Vernunft ja, Hysterie nein

Führen Sie bei aller Vorsicht dennoch ein vernünftiges Leben. Bei den meisten Infizierten sind der Krankheitsverlauf, die Symptome und die Behandlung fast genauso wie bei einer normalen Grippe.

Hand auf’s Herz: Wie haben Sie sich in den letzten Jahren, insbesondere 2015 (2015 war ein Jahr mit einer schweren Grippeepidemie) verhalten? Ich bin sicher, nicht annähernd so, wie es jetzt Viele tun…

Was werden Sie tun, wenn die Epidemie wieder abgeflacht ist? Geht es nicht darum, dass wir uns grundsätzlich mehr um unsere Gesundheit kümmern? Es ist für unsere Gesellschaft bezeichnend, dass wir Symptome weghaben möchten, wir aber nicht bereit sind, prophylaktisch etwas für uns zu tun. Ein gesunder Körper ist weniger anfällig. Wir wollen gesund sein, sind jedoch nicht bereit, etwas dafür zu tun und für unsere Gesundheit Verantwortung zu übernehmen.

„Krisen sind immer Chancen“, das sind für mich nicht leere Worte. Krisen fordern uns auf, uns zu reflektieren, umzudenken und Prioritäten neu zu setzen. Um das Virus zu bekämpfen, bedarf es gemeinschaftlichem Bemühen. Wir sollten besonnen und solidarisch sein, und eigenverantwortlich, aber nicht egoistisch handeln. Wir sollten rücksichtsvoll sein, aber nicht aufhören zu leben. Respekt vor dem Virus ist angebracht, jedoch nicht Panik und Hektik.

Diese Zeiten zwingen uns, vermehrt zu Hause zu bleiben und uns zu reflektieren. Ich hoffe fest, dass dann, wenn die Epidemie vorüber ist, wir nicht einfach zum normalen Alltag übergehen. Da es immer mehr Menschen gibt, müssen die Menschen zwangsläufig näher zusammenrücken. Wir sollten das auch innerlich mehr tun, denn wir haben nach wie vor Risikogruppen, um die wir uns kümmern sollten: Wir könnten nach dem alten Nachbarn schauen, oder einer alleinerziehenden Mutter Hilfestellung geben, oder… es gäbe viel zu tun.

Wir könnten die Epidemie auch als Anlass nehmen, uns mit derselben Intensität für Hunger, Umwelt, Altersarmut, Flüchtlinge, Tier- und Pflanzenschutz etc. einzusetzen. Denn nach Abflachen der Epidemie sind die Probleme auf unserem Planeten nicht gelöst und vorbei, nur weil wir wieder mehr Distanz zum Geschehen auf der Welt haben, weil wir nicht direkt betroffen sind. Oder was denken Sie?