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Rückblick Januar 2020

Burma - unvergessliche Eindrücke

Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen...

Wir haben viel über Burma gelesen, und uns ein Bild über dieses Land gemacht. Was wir erlebt und gesehen haben, hat sämtliche Vorstellungen übertroffen.

Die Frage, ob wir Burma bereisen sollen, wollen, hat uns lange beschäftigt: Möchten wir ein Land, in welchem Konflikte wie mit dem Rhohingya’s (muslimisches Volk, welches im Nordwesten des vorwiegend buddhistischen Landes lebte) so grausam ausgetragen werden, bereisen? Dabei ging es uns weniger um Ängste bezüglich unserer Sicherheit. Vielmehr war es auch unser innerer Konflikt und eine Gewissensfrage. Wir heissen die Behandlung der Rohingya’s durch die Militärjunta Myanmars nicht gut. Letztendlich leben jedoch viele Menschen vom Tourismus. Burma nicht zu bereisen ändert am System nichts. Gemessen an diesem Aspekt dürften viele Länder der Erde nicht bereist werden. Zugegeben, wir konnten die politischen Gegebenheiten, die grossen Probleme und auch die für uns unfassbare Vorgehensweise gegenüber den Rohingya’s nicht einfach wegstecken. Dennoch waren wir neugierig auf das Land. Und wir bereuen unsere Entscheidung nicht.

Für mich war – ist – Burma mehr als nur eine äussere Reise. Sie hat vieles in mir bewegt. So werde ich nicht einfach einen Reisebericht im üblichen Sinn verfassen. Eine äussere Reise ist für mich immer auch eine innere Reise. Unter diesem Aspekt schreibe ich diesen Blog.

Steckbrief Burma

Burma, Birma, Myanmar ist ein Land mit vielen Namen und Gesichtern. Faszinierend und widersprüchlich zugleich. Burma grenzt im Norden und Osten an China, im Südosten an Thailand und Laos, im Westen an Indien und Bangladesch und im Süden an den Indischen Ozean. Das Land hat ca. 52 Millionen Einwohner und viele verschiedene Ethnien, welche über das ganze Land verstreut sind. Zu den grösseren ethnischen Gruppen gehören die Birmanen/Burmesen. Zur zweitgrössten Volksgruppe gehören die Shan, welche im östlichen Bergland leben.

Zwischen unberührten Traumstränden, den schneebedeckten Ausläufern des Himalayas, den fruchtbaren Landschaften des Irrawaddy und dem leuchtend grünen Dschungel liegt in Burma eine über 2000 Jahre alte Kultur verborgen. Das Land der goldenen Pagoden ist trotz langsamer Öffnung in vielen Teilen des Landes von der Moderne (noch) nicht eingeholt. Alte Traditionen sind Teil des täglichen Lebens der Burmesen. Ich kenne kein Land in Asien, in welchem der Buddhismus lebendiger ist, die Pagoden prächtiger und zahlreicher als in Burma.

Hölzerne Büffelgespanne, Mönche in roten Gewändern und eine Gastfreundschaft, wie ich diese nie zuvor erlebt habe, sind allgegenwärtig. Die antiken Tempelfelder von Bagan, entlegene Bergdörfer, die faszinierenden Einbeinruderer auf dem idyllischen Inle-See mit den schwimmenden Gärten und Dörfer und einzigartige Pagoden bleiben unvergesslich. Viele religiöse Baudenkmäler sind stumme Zeugen einer alten Kultur, welche mich immer wieder staunend innehalten liessen.

Landschaften - Natur(T)Räume

Die Landschaften in Burma sind sehr abwechslungsreich: Ausgeprägte Hügellandschaften, der auf 1000 m Höhe gelegene Inlesee, fruchtbare, landwirtschaftliche Flächen, abgelegene Fischerdörfer, weisse, unberührte Sandstränden und Tropenwälder. Egal, ob wir auf dem Fluss unterwegs waren, zu Fuss oder mit dem Auto, wir konnten uns nicht sattsehen.
Besonders angetan haben es uns die Flusslandschaften des Irrawaddy und der Inle-See mit seinen schwimmenden Dörfern und Gärten. Kleine Fischerdörfer, fast verwunschen und idyllisch gelegen, so friedvoll…


Da wurde mir einmal mehr klar, in welch lauter Welt ich mich manchmal bewege. Obwohl ich auch in einem Dorf wohne und ich eher zurückgezogen lebe. In diesen kleinen burmesischen Dörfern wurde die Gemeinschaft und das Miteinander spürbar.
Die Spaziergänge durch diese schönen Dörfer stimmten mich auch immer wieder nachdenklich. Mir stellen sich grundsätzliche Fragen: Was ist der Sinn des Lebens, was ist wirklich wichtig und was will ich? Ja, ich weiss, der Sinn des Lebens ist dem Leben Sinn zu geben. Mein Leben hat Sinn und ich bin eigentlich glücklich. Eigentlich.
Die Menschen in Burma leben im Hier und Jetzt, scheinen in sich ruhend zu sein, getreu der Lebensphilosophie des Buddhismus. Das berührt mich. Um diese Fähigkeit beneide ich sie fast ein bisschen. Manchmal habe ich das Gefühl, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Ich denke zu viel über das Morgen und Übermorgen nach. Warum ist etwas so, und nicht anders? Warum, warum… Das kostet Energie. Simon Sinek: „Erst kommt das Warum, daraus ergeben sich das Was und das Wie.“ Dem kann ich mich voll und ganz anschliessen. Die „Warum-Fragen“ sind für mich die beste Sinnfragen, sie helfen mir, Zusammenhänge zu verstehen und zu begreifen.
Aber es heisst auch: „Die Dosis macht das Gift“. Meine Warum-Fragen sind überdosiert und schaden mir. Was die Menschen in Burma mir zeigen, sind Gleichmut, Gelassenheit und Vertrauen. Da habe ich wohl einiges zu lernen…

Irrawaddy - die Lebensader von Burma

Auf uns wartete eine fünftägige Reise in einem Hausboot auf dem Irrawaddy von Bhamo nach Mandalay. Insgesamt 440 km. Der Irrawaddy ist die Lebensader des Landes. An seinen Ufern entstanden unzählige prächtige Pagoden und Tempel. Geschäftiges Treiben, Frauen welche im Fluss Wäsche waschen, traumhafte Landschaften, Männer, welche auf grossen Flössen Teakholz transportieren und Mönche auf dem Weg zum Gebet. Und dreimal haben wir sogar die vom Aussterben bedrohten Irrawaddy-Delfine gesehen.


Gedankenverloren über die Wasser des Flusses gleiten, still werden und dem Wasser zu lauschen…einfach nur sein. Hermann Hesse hat die Schönheit des Irrawaddy-Flusses wunderbar beschrieben: „…das durchsichtige Grün, ... die kristallenen Linien seiner geheimnisreichen Zeichnung. Lichte Perlen sah er aus der Tiefe steigen, stille Luftblasen auf dem Spiegel schwimmen, Himmelsbläue darin abgebildet."

Auf den Schiff lässt sich gut leben

Das Essen auf dem Schiff wurde immer frisch zubereitet und war köstlich. Wir gingen mit einem Teil der Crew auf den Markt zum Einkaufen. Viele Früchte oder Gemüse kannte ich gar nicht. Und schnell hatte ich einen „Salat-Favoriten“: Lahpet Thoke, ein Salat aus fermentierten Teeblättern, frittierten Nüssen, Knoblauch, Chili, Ingwer, Tomaten und Chinakohl. Da der Irrawaddy eher einen tiefen Wasserstand hatte, war die Navigation nicht immer einfach. Sandbänke und viele Untiefen erschweren die Schifffahrt. Da viele Strassen in Burma nicht sehr gut ausgebaut sind, wird vieles auf dem Fluss transportiert. Es herrscht ein reger Schiffsverkehr. Wir haben einige von diesen Transportschiffen gesehen, welche auf einer Sandbank aufgelaufen sind und ohne zusätzliche Hilfe nicht mehr weiterkamen.

Inle-See

Der Inle-See gilt als eines der landschaftlich schönsten Ziele Burma’s. Er hat etwas Magisches. Die Menschen leben hier von und mit dem Wasser. Die meisten Häuser werden aus Bambus gebaut und stehen auf Pfählen im Wasser. Die Kinder fahren mit dem Kanu zur Schule.


Hier ist auch die Heimat der sogenannten Einbein-Ruderer. Sie treiben ihre Balancekunst zur Perfektion. Sie stehen auf einem Bein im hinteren Teil des Kanus. Das andere Bein wird zum Rudern benutzt, damit sie die Hände zum Fischen frei haben.

Viele Seebewohner leben vom Obst- und Gemüseanbau. Dazu legen sie schwimmende Gärten an, welche vom Boot aus bewirtschaftet werden: Tomaten, Bohnen, Auberginen und Gurken. Mit einem Boot erkundeten wir den Inlesee.

Nach einer Stunde Fahrt erreichten wir das „Floating Village“. Es war wie ein kleines Venedig auf Stelzen. Es herrscht ein geschäftiges Treiben. Wir fuhren mit dem Boot weiter über den Kanal, und mussten dort über neun Staustufen hinauffahren. Der Bootsführer hat regelrecht Anlauf genommen, damit er über die Schwelle kam. Das hat so richtig Spass gemacht. Natürlich wurden wir dabei auch ziemlich nass.

Ngapali

Ngapali liegt an der Westküste Burma’s und ist ein bekannter Badeort. Dennoch ruhig, nur wenige Touristen. Es ist ein idyllischer Ort mit wunderschönen Stränden, türkisfarbenem Wasser, feinem, weissen Sand und traumhaften Sonnenuntergängen. Ein Ort zum relaxen und entspannen. Wir machten Strandspaziergänge und konnten Einblick in das Leben der ansässigen Fischer nehmen, welche im nahegelegenen Dorf am Strand ihre Fische auf riesigen blauen Plastikplanen trockneten. Es war wie ein auftauchen aus einer anderen Welt. Wir waren müde, hatten das Bedürfnis zu schlafen. Wir realisierten erst hier, wie „weit weg“ wir waren. Wie viel wir erlebt haben. So unternahmen wir nicht viel, sondern gaben uns die Ruhe.

Menschen

Auf dieser Reise standen für uns nicht die sogenannten „touristischen Highlights“ im Vordergrund. Was uns interessierte, waren die Menschen: Die zartgliedrigen Frauen mit der weissen Thanaka-Paste, welche sie als Schönheitsmittel benutzen, auf ihrem Gesicht. Die Männer mit ihren traditionellen, kleinkarierten Longyis. Die Menschen hier sind freundlich, achtsam, hilfsbereit und respektvoll. Immer. Wir verbrachten viel Zeit mit ihnen und erfuhren einiges über ihre Träume, über ihr Leben und auch über ihr Schicksal. Da gab es nicht nur schöne Erzählungen. Wir erlebten hautnah, was es bedeutet, mit 2-3 Dollar pro Tag zu leben. Das führte dazu, dass wir uns als vermeintlich reiche Schweizer nicht immer nur wohl fühlten (im Vergleich zu ihnen sind wir reich). Die Burmesen fragten uns oft, was für uns das Beeindruckendste in Burma sei: „Das sind die Menschen“. Wir haben noch nirgends ein so gastfreundliches, zufriedenes und warmherziges Volk gesehen. Und das trotz ihres harten Überlebenskampfes.

Die Begegnungen und die Gespräche mit den Menschen lösten vieles in mir aus. Obwohl es dafür keine konkreten Anlässe oder Situationen gab: ich machte mir viele Gedanken über die Vergänglichkeit des Lebens. Alte, schon längst vergessene Situationen meines Lebens wurden aktiviert. Es scheint, als wollten unbewusste Inhalte an die Oberfläche kommen. Dies zeigte sich auch in intensiven Folge-Träumen ungewohnten Ausmasses, welche einen Prozess in Gang setzten. Dies äusserte sich so, dass sich im Traum zwar immer dasselbe Thema zeigte, dieses sich jedoch zunehmend veränderte – im positiven Sinne. Beim letzten Folgetraum hatte ich gewissermassen einen Prozess durchlaufen, denn es tat sich eine neue Sichtweise auf. IIn mir hat es „klick“ gemacht. Wie wenn ich etwas auf ganz tiefer Ebene neu begriffen hätte. Etwas, was ich kaum in Worte fassen kann.


Betelnuss – verleiht Flügel
Schon in den ersten Tagen fallen aus die vielen roten Flecken auf dem Boden auf. Was ist das? Schnell wird es uns klar: wir sehen Frauen, welche hellgrüne Blätter mit einer Paste bestreichen, ein paar bräunliche Krümel hineinlegen und dies dann säuberlich zu einem Päcklein zusammenbinden. Es handelt sich um eine psychotrope Substanz, der Betelnuss. Sie wirkt berauschend und euphorisierend. Ein bisschen wie Alkohol. Männer, auch einige Frauen, kauen auf diesen Betelbissen ewige Zeit herum. Dabei färbt sich der Speichel rot, welcher dann ausgespuckt wird. Die Rotzgeräusche sind gewöhnungsbedürftig… Und wenn sie einen dann noch anlachen, hat man das Gefühl in einem Zombiefilm zu sein: Ihre Zähne sind braun-rot und zum Teil abgefault. Jetzt war uns auch klar, weswegen so viele Männer furchtbare Zähne haben.

 

Religion und Glaube
Die meisten Burmesen sind Buddhisten. Fast jeder Mann verbringt eine gewisse Zeit seines Lebens im Kloster. Diese sanfte Religion prägt ihren Alltag. Jedoch geht nichts ohne Geister: Der Aberglaube der Burmesen geht durch alle Volksschichten. Fast alle Buddhisten glauben an die 37 „Nats“. Nats sind Wesen, Schutzgötter, Dämonen aus der Anderswelt. Und jeder gute Buddhist in Burma will sie bei Laune halten. Bezieht jemand ein neues Haus, werden so schnell wie möglich Kokosnüsse an den Dachenden des Hauses aufgehängt, damit die Nats nicht ins Haus kommen. Oder sie stellen Früchte auf die Dachterrasse, um sie mit Nahrung zu erfreuen. Sie leben mit ihnen zusammen, sie vertrauen sich ihnen an, oder fürchten sie. Sie besänftigen sie und rufen sie vor wichtigen Entscheidungen an.

Wir wurden Zeuge eines Nat-Rituals. Schrille Musik, Tanz und Alkohol gehören dazu. Nat-Tänze sind Frauensache. Die Frauen tanzen in Trance, wobei sie sich von einer Nat leiten lassen. Dabei schreien und weinen sie und werfen sich auf den Boden. Sie wollen die Tür zur Hölle schliessen (während wir die Tür zum Himmel öffnen möchten). Es war unbeschreiblich laut. Fast grotesk. Ich fühlte mich nicht wirklich wohl…

 

Verständigung
Zugegeben, es war manchmal abenteuerlich. Die Tourguides sprechen gut Englisch, sonst war die Verständigung eher schwierig, selbst in Hotels oder Flughäfen. Auch wenn sie viele Vokabeln kennen, ist ihre Aussprache so schlecht, dass wir oftmals keine Idee davon hatten, was sie uns mitteilen wollten.

Als wir, nachdem wir eine Nacht vor und auf dem Klo verbracht haben, nach Brot verlangten, wusste niemand was „bread“ bedeutet. Sie haben uns freundlich angelächelt, aber nichts verstanden. Es hat dann etwas gedauert, bis sie jemanden gefunden haben, der wusste, was „bread“ bedeutet.

Einmal hatten wir auch in einem Taxi Verständigungsschwierigkeiten: Wir fragten den Fahrer nach einem Restaurant: Er strahlte uns an, aber er verstand KEIN Wort. Wir versuchten mit Händen und Füssen uns auszudrücken – keine Chance. Aber: der Fahrer hatte ein Handy und deutete mir an, dass ich mein Anliegen auf Englisch in sein Handy sprechen solle. Das tat ich. Das, was ich da drauf gesprochen hatte, wurde nun auf burmesisch – mit geschriebenen Sätzen – übersetzt. Er wiederum sprach auf burmesisch seine Antwort drauf, welche dann auf Englisch – in Schrift – übersetzt wurde. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sie sind wirklich gut eingerichtet….
Übrigens war das in einem „Grab-Taxi“. Ein Burmese hat uns den Tipp gegeben, anstatt TukTuks zu nutzen, die App von „Grab Taxi“ herunterzuladen. Wir waren von diesem Angebot total begeistert. Die Grab-App funktioniert wie bei Uber-Taxi: die gewünschte Strecke eingeben und auf Taxi warten. Vorteil: man muss nicht über den Preis verhandel, denn dieser ist sofort sichtbar. Das funktioniert gut. ...wenn man weiss, wohin man will.

Nicht alles, aber Vieles ist Gold, was glänzt

Nicht umsonst wird Burma als „das Land der goldenen Pagoden“ bezeichnet. Viele Pagoden sind nur ganz oben mit echtem Blattgold bestückt, während die unteren Bereiche mit Goldfarbe bemalt sind. Die Shwedagon-Pagode in Yangon ist vollkommen aus Echtgold, während die Hsinbyume-Pagode ganz weiss ist.

Viele Pagoden und Tempel werden und wurden renoviert. An anderen nagt der Zahn der Zeit. Dennoch, jede Pagode und jeder Tempel ist auf seine ganz eigene Art einzigartig. Selbst die Mingun-Pagode, welche mit einer geplanten Höhe von 150m die gewaltigste Pagode aller Zeiten werden sollte. Leider hat sie es nur zum grössten Ziegelhaufen der Welt geschafft.

Es ist üblich, dass man barfuss in die Tempelanlagen geht. So auch bei Mount Popa: 777 Stufen müssen hochgestiegen werden. Die vielen kreischenden Affen, und die Stufen voller Monkeypoo waren jedoch nicht wirklich motivierend. So viel war mir die Aussicht von oben nicht wert, ich bin nicht hochgestiegen. Es fehlt mir wohl noch an Demut.

Ganz in der Nähe von der Pagode in Mingun ist die grösste, hängende und unbeschädigte Glocke der Welt zu finden. Sie ist mit ihren 5 m Durchmesser schon imposant. Ihr Klang durchdringt jede Zelle.

Sehr eindrücklich ist auch die Kuthodaw Pagode. Dort befinden sich 729 Marmortafeln, in welche die Lehren Buddhas in Pali (Sprache) gemeisselt sind. Diese Marmortafeln gelten als grösstes Buch der Welt. Normalerweise ist es in den Tempelanlagen ruhig.

Der Geruch von Räucherstäbchen, das leise Bimmeln der Glöcklein, Buddhisten, welche kniend ihre Mantras rezitieren, hat mich in einen eigenartigen Bann gezogen. Wir hatten das grosse Glück, dass im Januar nur wenige Touristen das Land bereisten. So waren wir vielerorts (fast) allein.

Abheben

Mehr als tausend alte Tempel stehen in Bagan, nahe dem Irrawaddy, auf einer sandigen Ebene. Erdbeben und Plünderungen liessen zahlreiche Heiligtümer verfallen. Dennoch geht ein eigentümlicher Zauber von diesen Tempeln aus. Ich fühlte mich wie in eine andere Zeit versetzt.

In Bagan haben wir mit dem Heissluftballon die Landschaft der tausend Tempel auch aus der Vogelperspektive gesehen. Wir mussten um 4.30 aufstehen und wurden mit einem alten klapprigen Bus zum Ballon gefahren. Da herrschte schon geschäftiges Treiben, während wir einen heissen Kaffee genossen. Die Ballone wurden mit Luft gefüllt und dann beheizt. Erst dann wird der Korb aufgestellt. Und dann: abheben.

Um die zwanzig Heissluftballons sind miteinander aufgestiegen. Gerade das war es, was dem Ganzen einen besonderen Zauber gab. Die Morgennebel lichteten sich allmählich. Die aufgehende Sonne tauchte die Landschaft unter uns in ein warmes Licht. Absolute Stille, dahin gleiten… man muss es selbst erlebt haben, denn Bilder und Worte geben dies nur bruchstückweise wieder…

Es hat uns erwischt

Das Essen in Burma ist wirklich eine Gaumenfreude. Schnell hatte ich meine Favoriten wie den typischen Tealeaf-Salad, Avocado-Salat oder die klassischen Shan-Noodle Soup. Und natürlich Sticky rice.

Wir wissen: pale it, cook it, or forget it. Daran halten wir uns auch. Dennoch hat war halt doch ein Fruchtsaft mit ein bisschen Wasser verdünnt. Auf Details der folgenden Nacht gehe ich nicht ein, nur so viel sei gesagt: ich habe die Nacht mit hohem Fieber, kniend vor dem Klo verbracht und dann, nur mit kurzen Pipi-Pausen, 24 h durchgeschlafen, fast wie im Koma. Ich hatte Fieber, konnte ich nicht aufstehen. Die Ausflüge fielen ins Wasser – auch meinem Mann ging es nicht besonders.

Mein anderes Problem waren die Geschmacksverstärker. Ich erwähnte bei jedem Essen, dass ich die Geschmacksverstärker wie Chickenpowder etc. nicht vertrage. Meistens hat das auch funktioniert, aber einmal eben nicht. Die Reaktion äusserte sich mit heftigen Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, kribbeln und Taubheitsgefühl im Mund, Nackensteifheit etc.

Handwerk – fast alles wird von Hand hergestellt

Anstatt noch weitere Pagoden zu besuchen, baten wir unseren Guide, uns Handwerksbetriebe zu zeigen. Obwohl Burma in den letzten Jahren eine politische Öffnung erfahren hat, wird noch fast alles von Hand produziert. Wir bekommen eine Vorstellung davon, wie aufwendig und mühsam die Handwerkskunst ist.

Lackarbeiten sind das burmesische Porzellan. Auch wenn es auf den ersten Eindruck nicht so scheint, ist diese Ware sehr haltbar und robust. Die Herstellung einer Lackschüssel dauert bis fünf Monate, weil jede aufgetragene Lackschicht tagelang trocknen muss. Die Muster werden von Hand eingeritzt und in verschiedenen Ebenen eingefärbt.

Alle Longyi’s werden von Hand gewebt. Diese gibt es in verschiedenen Qualitäten, von einfacher Baumwolle bis zur hochwertigen Seide oder der exklusiven Lotus-Seide, welche nur in Burma hergestellt wird. Wir haben gesehen, wie Weberinnen viele Stunden am Webstuhl verbringen und mit vielen farbigen Schiffchen wunderschöne Stoffe weben. Da vergeht einem die Lust auf’s Feilschen.

Man sieht sie schon von weitem: Reihenweise liegen sie an der Uferböschung: die riesigen Tontöpfe. Ein kleiner Fussweg führt zur Manufaktur. Dort werden in Handarbeit Tontöpfe in allen Formen und Grössen hergestellt und werden anschliessend auf dem Flussweg nach Yangon verschifft.

Die Goldblattherstellung hat in Burma eine grosse Tradition. Muskulöse Handwerker schlagen mit einem 5kg schweren Hammer stundenlang auf die durch Pergamentblätter getrennten Goldplättchen. Dieses wird dann von Arbeiterinnen auf Papier geklebt und an die vielen Pilger verkauft.

Spannend war die Herstellung der Lotus-Seide. Diese wird in den schwimmenden Dörfern auf dem Inle-See hergestellt. Frauen aller Altersgruppen sitzen in hellen Räumen an den Webstühlen. Vor diesen Räumen sitzt eine Frau auf dem Boden und ist ganz in ihre Arbeit versunken. Sie nimmt drei Stängel von den Lotuspflanzen und ritzt sie mit einem Messer vorsichtig an und bricht sie dann behutsam durch. Die Lotusfäden, die sie aus den Stängeln zieht, sind fein wie Spinnweben und werden nun vorsichtig über ein Holzbrett gestrichen. Dabei werden die Fasern zu einer langen, festen Schnur gedreht. Es ist eine extrem diffizile und aufwendige Arbeit. Die Lotusseide gilt als teuerste Seide und wird nur am Inlesee hergestellt.
In der Weberei arbeiten wahrliche Künstlerinnen. Da gibt es keine Maschinen, nur Handwebstühle. Sie weben wunderschöne Muster, stellen edle Stoffe her. Daraus werden vor allem Longyi’s (typische Wickelröcke) genäht.

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keine Ahnung hatte, was es braucht, bis aus Silber Silberschmuck wird: Silbererz wird in seine vier einzelnen Teile zerlegt: Blei, Zink, Kupfer und Silber. Das Silber wird dann geschmolzen und dann zu filigranem Silberschmuck verarbeitet.

In Mandalay konnten wir die Geschicklichkeit der Holzschnitzer bewundern, welche für die Pagoden wunderschöne Muster in Teakholz schnitzen. Neben Möbeln und Türen werden hier auch die traditionellen Marionetten hergestellt. Damit die Marionetten hier eingekleidet werden können, ist der Schnitzerei eine Stickerei angeschlossen. Singend, und mit viel Fingerfertigkeit und Geschick werden hier die Puppen eingekleidet und Wandhänge bestickt.

Leider kommen immer mehr Produkte aus China. Ich mag mir nicht ausdenken, was geschieht, wenn die Chinesen mit ihren Produktionsstätten Einzug halten. Viele Burmesen wären arbeitslos.

Die Gefühle reisen mit

Während unserer Reise bauten wir immer wieder Zeiträume ein. Zeit zum verdauen und zum Nachdenken, Zeit für Gespräche, Zeit für’s Still-Sein. Wir müssen nicht alles gesehen haben. „Weniger ist mehr“, so war unser Motto.

Manchmal wünschte ich mir, ich könnte oberflächlicher sein. Klar, ich konnte geniessen, mich freuen, staunen, mich überraschen lassen… aber da hat noch etwas anderes mitgeschwungen. Es kommt mir vor, wie wenn Türen zu meinen tiefsten Tiefen geöffnet worden wären. Alte Kindheitserinnerungen tauchten auf. Gute und weniger gute.

Die Menschen in Burma sind mit dem Leben und Überleben beschäftigt. Sie stellen sich keine Sinnfragen. Sind Sinnfragen Luxus unserer Wohlstandsgesellschaft? Während diesen fast vier Wochen habe ich ein Gefühl dafür bekommen, was es heisst, im Moment zu sein. Einfach das zu tun, was ansteht. Es ist auch nicht so wichtig, WAS man tut, sondern WIE man das tut, was man tut. Die Japaner sagen: „Erleuchtung kannst du beim Schuhe putzen erlangen“.

Wir hatten das Glück, in Burma ein paar Menschen näher kennen zu lernen. Sie erzählten uns Geschichten aus ihrem Leben. Zu keinem Moment spürte ich bei ihnen Trauer, Wut, Enttäuschung, obwohl sie alle ein schwieriges Leben hatten/haben. Ihre Geschichten gehören zu ihrem Leben. Es ist, was es ist. Dies hat mich manchmal zutiefst beschämt. Wenn ich daran denke, woraus ich mir manchmal Probleme erschaffe…

Mir wird bewusst, dass eine gewisse Gelassenheit und Zuversicht das Leben einfacher macht. Und ich beginne jedoch auch zu akzeptieren, dass diese Stimmungen zu mir gehören. Meine sensible Seite gehört zu mir. Ohne diese wäre ich nicht ich.

Erlebnis besonderer Art: Elefantencamp

Zum Schutz der Regenwälder hat die Regierung die Arbeitselefanten zum Nichtstun verurteilt. Was für viele Elefanten und Elefantenführer eine Katastrophe ist. Denn der Unterhalt eines Elefanten ist teuer. Alternativen gibt es keine, oder nur schlechte. Viele Elefanten werden an Touristencamps vermietet, denn Elefantenreiten gehört leider noch bei vielen Touristen zu einem für mich zweifelhaften Urlaubsvergnügen dazu.

Schon als Kind wollte ich nie in den Zirkus gehen: ich habe mit den Tieren, seien es Elefanten, Löwen, Seehunde etc. mitgelitten. Ich konnte nicht verstehen, weswegen man das mit Tieren macht, und kann es auch heute nicht verstehen.

Dank einer Privatinitiative ist das „Green Hill Valley-Elefanten-Camp“ entstanden. Zurzeit sind acht Elefanten, im Alter zwischen 10 und 67 Jahren, im Camp. Die Elefanten sind pensionierte oder gesundheitlich angeschlagene Arbeitselefanten. Ziel der Initianten ist es, Gäste für den Elefantenschutz zu sensibilisieren. Mit dem Eintrittsgeld finanzieren sie den Unterhalt der Tiere. Die Gäste können einen ganzen Tag sehr engen Kontakt zu den Tieren haben. So wie wir.

Zuerst ging es um die Kontaktaufnahme. Zugegeben, der Elefant ist, wenn man so vor ihm steht, ziemlich gross. Ihn anzufassen, seine Haut zu spüren und festzustellen, hey, der Elefant geht mit mir in Kontakt, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Er hat mich sehr genau beobachtet und wenn er gemerkt hat, dass ich ihm das Futter nicht in den Rüssel, sondern direkt ins Maul gebe, hat er sofort sein Maul weit aufgesperrt. Ich war vor allem für eine Elefantendame zuständig, durfte jedoch dem Elefanten neben ihr auch ab und zu was geben. Was aber „meiner“ Elefantendame nicht so gefallen hat. Wenn sie gemerkt hat, dass ich dem anderen Elefanten Futter geben wollte, hat sie mich von hinten mit dem Rüssel an der Schulter festgehalten, so nach dem Motto: Futter hier her, nicht dort. Der Höhepunkt war dann, mit dem Elefanten baden zu gehen.

Die Tiere sind hier nicht angekettet. Im Verlauf des Nachmittags bis zum nächsten Morgen gehen sie zurück in den Wald streifen dort herum und kommen am nächsten Morgen zurück ins Camp. Ein Tierarzt betreut die Tiere. Green Hill Valley ist ein Vorbild.

Leider sieht die Realität in anderen Touristencamps anders aus: da müssen Elefanten zur Belustigung von Touristen Fussball spielen, oder Resorts bieten Elefantenritte im heissen Sand am Meeresstrand an.

Im Camp erklärten sie uns, dass die einzige Lösung für die Elefanten das Schaffen von Schutzgebieten, in welchen die Tiere ein freies und möglichst artgerechtes Leben führen können. Ich hoffe und wünsche es für diese liebenswerten Dickhäutern ganz fest. Was ich gehört und gesehen habe, tat mir in der Seele weh. Ich liebe diese gutmütigen Dickhäuter.

Aber machen wir es mit unserer Tierhaltung besser? Werden die Tiere artgerecht gehalten? Bei Elefanten berührt es uns, aber was ist mit den Gänsen (für Stopfleber), mit den Hühnern, Kühen und Schweinen, welche bei uns unter misslichsten Umständen leben müssen?

Fazit

Wir beenden die Reise da, wo wir sie begonnen haben: bei uns zu Hause. Reich an Erinnerungen,  eindrücklichen Erlebnissen, Begegnungen mit wunderbaren Menschen und traumhaften Landschaften kehren wir zurück. Es scheint, als sei zuhause die Zeit stehen geblieben, als hätte sich nichts geändert. Unser Alltag hat uns wieder.

Obwohl im Aussen alles seinen üblichen Gang zu nehmen scheint, ist es nicht mehr wie vorher. Die Reise hat tiefe Spuren hinterlassen. Sie hat mich mir ein Stück näher gebracht.

In meinem Leben habe ich vieles hart erarbeiten müssen. Das prägt und wird zu einem Muster. Nebst ein paar Souvenirs habe ich etwas viel Wertvolleres aus Burma mitnehmen können: Gelassenheit und Heiterkeit. Zurücklassen konnte ich Ängste.

Unter diesem Blickwinkel war es eine äussere Reise, welche mich in meine innere Welt geführt hat. Keine der beiden Reisen möchte ich missen.